„Migration" – kaum ein anderes Wort ist derzeit so
medial präsent, kaum ein Gegenstand so breit diskutiert
wie dieser. So war schon im Laufe des letzten
Jahres die Idee gereift, die jährliche Weiterbildung
der Seelsorgerinnen und Seelsorger in Visp diesem
Thema zu widmen. Schlagzeilen in Medien, aber
auch Asylzentren vor Ort und der Kontakt mit Asylsuchenden
fordern auch kirchliche Mitarbeitende
zur Reaktion heraus. „Doch was ist eine authentisch
christliche Haltung zum Thema Migration?", fragte
am Anfang der Weiterbildung Rita Pürro Spengler
von der Fachstelle Erwachsenenbildung QuerWeltEin,
die die Tagung zusammen mit einer Gruppe
von Seelsorgern vorbereitet hatte. Die persönliche
Antwort auf diese Frage wurde zur Aufgabe für jeden
Teilnehmenden.
Auf einem Stationenweg reflektierten die Seelsorgenden
zu Beginn daher zunächst ihre eigenen Zugänge
zum Thema Migration. Wie bin ich biografisch
mit dem Thema konfrontiert? Was lösen bei mir
die Schlagzeilen in den Zeitungen zu Flüchtlingen
und Asylsuchenden aus? Wie ist die Situation derzeit
im Kanton Freiburg? Mit Ausschnitten aus dem
Dokumentarfilm „Neuland", der junge Ausländer
begleitet, die in der Schweiz eine Integrationsschule
besuchen, begannen schon erste Diskussionen
zur eigenen Haltung gegenüber Asylsuchenden
und Flüchtlingen. Und die praktischen Taten, die
dieser Haltung erwachsen, liessen sich erkennen,
als die SeelsorgerInnen sich darüber austauschten,
was in den Seelsorgeeinheiten Deutschfreiburgs
für und mit Flüchtlingen geschieht: Begleitgruppen
für Asylzentren in Bösingen und Düdingen
sowie das „Netzwerk Flüchtlinge" in Murten und
eine Projektgruppe in Kerzers; ein Haus der Pfarrei
in Ueberstorf und eine Wohnung der Pfarrei in
Plaffeien, die für Asylsuchende zur Verfügung gestellt
werden sollen; eine Angelforce-Aktion der
Seelsorgeeinheit Untere Sense, bei der Kleidung
für ein Bundeszentrum gesammelt wurde; Firmateliers,
Adventsaktionen und Pfarreifeste mit
Flüchtlingen in Freiburg – die Plakate füllten sich
schnell mit wichtigen und guten Signalen.
Hintergrundwissen erarbeiten
Damit sich die Seelsorgenden auch auf rechtlicher
Seite einen breiten Überblick über das Asylwesen
erarbeiten konnten, informierte sie Gabriella Tau
von der Rechtsberatungsstelle der Caritas Schweiz
über Grundzüge des Verfahrens. Sie klärte wichtige
Begriffe, informierte darüber, wie und in welchem
Fall ein Asylgesuch eingereicht werden
kann, und vermittelte die Stationen, die Asylsuchende
in der Schweiz durchlaufen. Auch die Kriterien,
auf die ein Fall von den Behörden geprüft
wird (Glaubwürdigkeit, Flüchtlingseigenschaft
und Wegweisungshindernisse) diskutierte sie,
aber betonte auch, wie schwierig diese Prüfung
sich manchmal gestalten kann, und zeigte an Beispielen
Probleme im System auf, die z. B. gerade
das Dublin-Verfahren immer wieder hervorruft.
Mit gestärktem fachlichen Hintergrund stand am
nächsten Tag eine theologische Vertiefung des
Themas auf dem Plan. „Es gibt kaum Menschen,
die keinen Anknüpfungspunkt zum Thema Migration haben", stellte die Theologin und Leiterin der
Feministischen Fachstelle der FrauenKirche Zentralschweiz
Regula Grünenfelder eingangs fest, die
als Referentin den Tag gestaltete. Ausgehend von
der Botschaft des Papstes zum Welttag der MigrantInnen
am 1.10.2015 bearbeiteten die SeelsorgerInnen
in Kleingruppen Impulsfragen: Wie stellen wir
uns zum Recht auf Migration? Wie lassen auch wir
uns als Gesellschaft von Migration verändern und
wie verändern sich diejenigen, die zu uns kommen?
Welche biblischen Impulse geben uns Antworten?
Was brauchen unsere Seelsorgeeinheiten und Pfarreien
um „in diesem Augenblick zum wirkungsvollen
Zeichen" zu werden?
Zivilgesellschaft ist gefordert
Nicht nur theologische Impulse, sondern auch
praktische Hinweise und eine aufmerksame Haltung
konnte Regula Grünenfelder vermitteln, die
sich selbst als Freiwillige schon lange im Asylbereich
engagiert. Gerade angesichts der Nachricht,
dass in Giffers 2017 ein Ausreisezentrum entsteht,
waren die Seelsorgenden sehr dankbar für weitere
Informationen. „Die Asylzentren des Bundes sind
in aller Regel geschlossene Zentren; der Kontakt
mit der Bevölkerung vor Ort ist eher spärlich", so
Grünenfelder. Persönlich bewegt war sie von der
problematischen Situation von Asylsuchenden im
Bundeszentrum Eigenthal, wo z. B. keine Säuglingsnahrung
zur Verfügung gestellt wurde und einem
Kind der Arztbesuch verwehrt wurde. Eine Zivilgesellschaft,
die vor Ort ist und nachfragt, sei extrem
wichtig, so Grünenfelder, damit die Einhaltung von
internationalen Konventionen, Menschenrechten
und Menschenwürde garantiert werden könne.
Auch Einrichtungen wie die Schweizerische Beobachtungsstelle
für Asyl- und Ausländerrecht,
die überprüft, wie sich das Asyl- und das Ausländergesetz
auf die Situation der betroffenen
Menschen auswirkt, kann hier ein kompetenter
Gesprächspartner sein. Zudem brauche es spürbare
Zuwendung und Mitmenschlichkeit: „Wenn
Tausende die Schweiz nur als Gefängnis erleben,
welche Folgen hat es dann für das Bild der
Schweiz?", fragte sie kritisch an.
Basis für erlebbare Mitmenschlichkeit ist natürlich
die Begegnung. Doch wie kann diese geschehen,
wenn die Bevölkerung keinen Zugang
zu Bundeszentren erhält? Regula Grünenfelder
berichtete von der IG „Gubel Mänzige", die sich
genau diese Frage stellte angesichts eines Bundeszentrums,
das im Mai 2015 in der Nähe von
Menzingen eröffnet wurde. Die Antwort waren
zwei Baucontainer, die vor dem Zentrum abgestellt
wurden, und in denen den Menschen aus
dem Bundeszentrum drei Computer, Zeichentherapien,
Spiele uvm. zur Verfügung stehen. Über
70 Freiwillige engagieren sich in der IG „Gubel
Mänzige", organisieren Stadtführungen, Sportprogramme
und Wanderungen mit den Asylsuchenden.
Die Bevölkerung und die Menschen im
Zentrum sind aneinander gewachsen.
Ermutigende Erlebnisse
Ähnliche Erfahrungen durfte auch der reformierte
Pfarrer Daniel Winkler, Referent des dritten Tages,
machen, als in Riggisberg ein Durchgangszentrum
eröffnet wurde. Der Gemeinderat hatte
die Unterkunft dem Staat zur Verfügung gestellt.
Die anfängliche Skepsis gegenüber den Fremden
sei durch Begegnungen mit ihnen verflogen. Eine
Keimzelle für diese Kontakte war das Café Regenbogen,
das im Kirchgemeindehaus in Riggisberg
schnell zur Institution wurde und von den ausländischen
Gästen liebevoll in „Mama Africa" umgetauft
wurde. Zwischen Spielen, Sprachübungen
und Kaffee haben die rund 50 Freiwilligen und
die 150 Asylsuchenden zueinander gefunden.
Die Freundschaften wuchsen so gut wie das Gemüse
im eigenen Garten, der den Asylsuchenden
zur Verfügung gestellt wurde und dank welchem
sie ihren Speiseplan aufbessern konnten. „Mit den Fremden ist auch Christus in unser Dorf gekommen",
stellte Daniel Winkler stolz fest.
Inspiriert durch diese Berichte, aber auch mit dem
Wissen um die Bedeutung von zivilgesellschaftlichem
Engagement, entschlossen sich die Seelsorgerinnen
und Seelsorger am Ende der Tagung zu
einem „prophetischen Wort", zu einer Stellungnahme,
in der sie ihre Bereitschaft signalisieren wollten,
im Ausreisezentrum Guglera in Giffers aktiv zu
werden und den Kontakt zu den 250 Menschen,
die dort kurzzeitig unterkommen, zu pflegen (die
Stellungnahme finden Sie hier;
auch kath.ch berichtete). Zudem erhoffen sie sich
einen Einsitz in der Begleitgruppe des Ausreisezentrums
(zusammen mit Vertretern von Gemeinde,
Bund, Betreuungsmitarbeitenden und weiteren
Personen). Ausserdem nahmen die einzelnen
SeelsorgerInnen nach der Weiterbildung via Mail
Kontakt mit dem Staatssekretariat für Migration
auf, um ihre Fragen zum Zentrum zu platzieren.
Die Arbeit in den Pfarreien und Seelsorgeeinheiten
zum Thema Migration geht weiter. Viele neue
Ideen sind entstanden, die es umzusetzen gilt.
Gleichzeitig sind die SeelsorgerInnen auch interessiert,
was sich im Austausch mit der Pfarreibevölkerung
und anderen Institutionen ergibt.
Christina Mönkehues, veröffentlicht im Mitteilungsblatt im März 2016
Rund 75 Personen aus dem Sensebezirk haben
sich zur Gruppe „Flüchtlinge willkommen im Sensebezirk"
zusammengeschlossen. Das nächste
Treffen findet am Do., 17. März, 20.00 bis 22.00
Uhr im Vereinshaus Tafers statt. Referentin ist
Frau Denise Graf, Asyl-Expertin bei der Schweizer
Sektion von Anmesty International. Wer sich in
der Gruppe engagieren möchte, ist herzlich willkommen.
Das Rote Kreuz sucht für Düdingen und Bösingen
nach Freiwilligen, die im Schuljahr 2016/17
Deutschkurse anbieten können.
Kontakt und Information: Sonja Jungo,
sonia.jungo@croix-rouge-fr.ch, 026 347 39 70